A. Eine kurze Einführung
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1. Die Entwicklung der Genfer Abkommen
Verfolgt man die Geschichte der Menschheit bis zu ihren Anfängen zurück, kommt man zu der Erkenntnis, dass sie immer auch von Unmenschlichkeit begleitet war. Insbesondere in Kriegszeiten tritt diese Unmenschlichkeit verstärkt auf. Damit das menschliche Leiden in einem bewaffneten Konflikt zumindest etwas gelindert wird, wurden gewisse Regeln der Menschlichkeit festgelegt, die im Wesentlichen in den vier Genfer Abkommen und ihren drei Zusatzprotokollen enthalten sind.
Die Rotkreuz-/Rothalbmondbewegung und die Genfer Abkommen beruhen auf der humanen Idee des Schweizer Geschäftsmanns Henry Dunant. Dieser reiste im Juni des Jahres 1859 nach Norditalien und wurde dabei Zeuge, wie sich Österreicher, Franzosen und Italiener bei Solferino eine blutige Schlacht lieferten. Am Abend blieben zu Dunants Entsetzten rund 40 000 Opfer unversorgt auf dem Schlachtfeld zurück.
Diese schrecklichen Erinnerungen ließen Dunant nicht mehr los, und er veröffentlichte 1862 ein Buch unter dem Titel: "Eine Erinnerung an Solferino". Mit diesen Buch wollte Dunant jedoch mehr, als nur über die Gräuel eines vergangenen Krieges berichten: Er wollte vielmehr dafür sorgen, dass sich solche Gräuel nicht mehr wiederholen sollten. Er selbst bot in diesem Buch denn auch zwei Anregungen: Zum einen forderte er die Gründung von Hilfsgesellschaften schon in Friedenszeiten, deren ausgebildetes Pflegepersonal auch im Falle eines Krieges neutral bleibt und alle Verwundeten gleichermaßen betreut. Zum anderen setzte er sich für den internationalen Schutz dieses Pflegepersonals ein, damit es im Krieg geschützt werde und ohne Hindernisse Hilfe leisten könne.
Seine Anregungen fanden sehr schnell Befürworter und aufgrund dessen bildete sich das "Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege", das sich mit der Zeit zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz entwickelte. Schon bald darauf, vom 26. bis 29. Oktober 1863, fand in Genf eine internationale Konferenz statt, zu der Vertreter aus 16 Ländern und 4 philanthropischen Vereinigungen zusammenkamen, alle mit dem Gedanken, auch in Kriegszeiten Menschlichkeit zu beweisen.
Der Kongress äußerte den Wunsch, die kriegführenden Mächte mögen in bewaffneten Konflikten die Feldlazarette und Spitäler, das Sanitätspersonal der Armeen, die freiwilligen Helfer und die Verwundeten für neutral erklären und für die geschützten Personen und Güter ein gemeinsames Kennzeichen bestimmen. Allerdings kam es in beiden Fragen zu keiner verbindlichen Regelung.
Aus diesen Gründen berief die Schweizer Regierung 1864 eine diplomatische Konferenz nach Genf ein, die die Vertreter von 12 Regierungen dazu brachte, einem vom Internationalen Komitee ausgearbeiteten Vertrag mit dem Titel "Genfer Konvention zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde" zuzustimmen. Diese Konvention erfüllte die Wünsche des Kongresses von 1863 und stellte die Aufnahme und Pflege der Verwundeten beider Kriegsparteien in den Vordergrund, ohne Unterschied der Nationalität. Als Kennzeichen wurde das rote Kreuz auf weißem Grund gewählt.
Die späteren Kriege zeigten jedoch, dass die von Henry Dunant angeregten und später erweiterten Schutzbestimmungen nicht ausreichten. 1949, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wurden deswegen die vier überarbeiteten und ergänzten Genfer Abkommen verabschiedet, die auch heute noch in Kraft sind. 1977 bzw. 2005 wurden diese durch zunächst zwei und dann ein drittes Zusatzprotokoll ergänzt.